... Coming
Out
Das Coming Out wird gemeinhin in zwei Phasen unterteilt. Zunächst
erfolgt der Prozess, sich selbst seiner homosexuellen Orientierung bewusst zu
werden. Der nachfolgende Prozess betrifft die Offenbarung der eigenen
Homosexualität gegenüber dem sozialen Umfeld, in erster Linie nahen Verwandten
und Freunden. Eine Bindung an ein bestimmtes Lebensalter, z.B. der Pubertät,
besteht dabei nicht. In manchen Fällen wird die Homosexualität erst in
fortgeschrittenem Alter geoffenbart, dann nicht zuletzt auch gegenüber
vorhandenen Ehepartnern und Kindern, wobei eine lange aufrecht erhaltene
Fiktion der Heterosexualität zerbricht. Immer wieder werden Menschen, die ihre
homosexuelle Orientierung erkannt haben und Beziehungen zu
gleichgeschlechtlichen Partnern pflegen, von Schuldgefühlen geplagt. Dieses
Phänomen wird sodann in der psychiatrischen Diagnostik ichdystone
Sexualorientierung genannt.
Der Konflikt zwischen den normativen gesellschaftlichen Erwartungen einer
heterosexuellen Mehrheit und der eigenen Gefühlswelt führt oftmals zum
Trugschluss, mit der eigenen sexuellen Ausrichtung isoliert zu sein oder auch
zur Verheimlichung und Verleugnung der Homosexualität. Es bedarf in vielen
Fällen der Auflösung eines Spannungskonflikts, wobei erst die Wahrnehmung
anderer Homosexueller die Erkenntnis befördert, nicht alleine zu sein und die
eigene sexuelle Orientierung nicht als abnorm oder krank aufzufassen. Sexuelle
Minderheiten haben auch aufgrund gewandelter gesellschaftlicher Norm- und
Moralvorstellungen zunehmend an Selbstbewusstsein gewonnen, suchen allgemein
vermehrt ein Leben inmitten der Gesellschaft. Die stetig wachsende Publizität
sexueller Minderheiten und ihrer Lebensformen entwickelt auch eine steigende
Akzeptanz derselben durch die heterosexuelle Mehrheit. Nicht zuletzt durch die
öffentliche Wahrnehmung der für viele überraschend grossen Anzahl von schwul,
lesbisch, bisexuell oder als Transgender lebenden Mitmenschen und dem erklärten
und praktizierten Willen, sich nicht mehr an den gesellschaftlichen Rand
drängen zu lassen, wird Homosexualität zunehmend als "normal" verstanden, d.h.
der gesellschaftlich definierten Norm entsprechend. In Stadtzentren mag diese
Erkenntnis jedoch oft stärker entwickelt sein als in Landgemeinden, doch ist
auch im ländlichen Raum eine deutliche Liberalisierung spürbar. Die Zeiten
strafrechtlicher Verfolgung gehören jedenfalls der Geschichte an.
Eine positive Reaktion des sozialen Umfelds oder auch die Bestätigung
nahestehender Mitmenschen, schon länger eine homosexuelle Orientierung vermutet
zu haben, wirken nach dem Coming Out erleichternd und befreiend. Nicht immer
verläuft ein Coming Out jedoch unproblematisch, da das Umfeld auch ablehnend,
schockiert oder sogar anfeindend reagieren kann, wobei auch den eingeweihten
Mitmenschen die Zeit gegeben werden sollte, sich auf die durch das Coming Out
bedingte neue Situation einzustellen. Einige Menschen sind zunächst schlicht
unsicher, wie sie mit der Homosexualität des Offenbarenden umgehen sollen, ob
sich hierdurch etwas entscheidend verändert. Zur Hilfestellung bestehen
vielerorts Rosa Telefone, in Konstanz ist dieses unter Tel.
0049-(0)173-3257939 erreichbar und steht für Fragen und Auskünfte zur
Verfügung.
|